Supervision als Medium kommunikativer Sozialforschung - Die Integration von Selbsterfahrung und distanzierter Beobachtung in Beratung und Wissenschaft

Gemeinsam mit M. Giesecke
Suhrkamp Verlag (STW)), Frankfurt/M. 1997

Inhalt
Die Integration von Selbsterfahrung und distanzierter Betrachtung in Beratung und Wissenschaft

Neben der Psychotherapie ist die wohl interessanteste in diesem Jahrhundert neuentwickelte Beratungs- und Weiterbildungsform die Supervision. Sie untersucht die Psychodynamik der Interaktionsbeziehungen entweder zwischen Professionals und deren Klienten oder in der betrieblichen Hierarchie und deckt das Gegen- und Miteinander von psychischen und institutionellen Strukturen auf, um so Sozialarbeitern, Ärzten, Managern, Verwaltungsangestellten und anderen eine bessere Bewältigung ihres beruflichen Alltags zu ermöglichen.

Sie nutzt dabei die soziale - nicht bloß individuelle! - Selbstreflexion des Supervisionsprozesses, um Informationen über die berufliche Situation ihrer Klienten zu sammeln. Die Schilderung des Berufsalltags wiederum wird verwendet, um die Psycho- und Soziodynamik im Beratungssystem zu verstehen. Möglich sind diese wechselseitigen Erhellungen, weil es Spiegelungsprozesse zwischen sozialen - wie auch zwischen psychischen - Systemen gibt: Strukturen des einen Systems, z.B. des Berufsalltags wiederholen sich, vermittelt über die beteiligten Personen in dem anderen System, z.B. in der Beratung, und fördern oder hemmen das aufgabenbezogene, institutionelle Arbeiten.

Die Analyse dieser offenbar unvermeidlichen Rückkopplungsphänomene, die gänzlich unabhängig von den Intentionen der Individuen ablaufen, weist Beratern und Wissenschaftlern den Weg zu einem neuen Verständnis sozialer Kommunikation: nicht als Verknüpfung psychischer Akte, sondern eben als Phänomen ganz eigener Art, als latente Spiegelung sozialer Strukturen, Dynamiken, Umweltbeziehungen und Identitätskonzepte.

Die Methoden einer in diesem Sinne kommunikativen Sozialforschung schildert das Buch im Zuge der Mikroanalyse von mehrjährigen Supervisionsprozessen. Diese hat nicht nur soziale Kommunikation zum Gegenstand sondern sie gestaltet auch den gesamten Forschungsprozeß von der Festlegung des Forschungssettings über die Datenerhebung und -auswertung bis hin zur Rückkopplung der Ergebnisse in die alltägliche Praxis als Gespräch.

Zugleich werden die Entwicklung von der Fall- über die Teamsupervision hin zu komplexen Formen der Organisationsentwicklung in den letzten 15 Jahren nachgezeichnet und die Konsequenzen für ein zeitgemäßes Supervisionskonzept gezogen.

Wies die Supervision anfangs der kommunikativen Sozialforschung den Weg, so kann nun zunehmend auch die Anamnese und Diagnose von ratsuchenden Institutionen sowie die Interventionsplanung als ein Prozeß kollektiver Informationsverarbeitung gestaltet werden, der den Prinzipien kommunikativer Sozialforschung folgt. Die Forschung gewinnt Beratungsqualität und die Beratung nimmt über weite Strecken Forschungsqualität an.

Gliederung

  1. Vorwort
  2. Einführung: Gegenstand und Ziele der Supervision und der kommunikativen Sozialforschung
  3. Die Herausbildung der Ziele und Modellvorstellungen einer kommunikativen Supervisionsforschung (1976-1981)
  4. Die Methoden der kommunikativen Sozialforschung: sequentielle Mikroanalyse, Normalformrekonstruktion, Normalformanalyse und Normalformtest
  5. Ergebnisse der Kommunikationsforschung: Normalformerwartungen über Ablauf und Setting von Supervisionen beim Programm 'Fallarbeit'
  6. Die Grenzen einer interaktionistischen Kommunikationsforschung und die Perspektiven der Systemtheorie:
    Neue Modelle, Methoden und Ergebnisse (1982-1985)
  7. Die Analyse der selbstreferentiellen Dimension des Systems: Selbstregulation und Selbstthematisierung (1985-1988)
  8. Die Analyse der Differenzierungsdimension: Das System und seine Umwelt
  9. Rückblick und Ausblick: Die Wechselwirkungen zwischen Forschung und Praxis
  10. Anmerkungen
  11. Anhang
  12. Literaturverzeichnis
  13. Verzeichnis der Tabellen und Schemata

Vorwort

1. Einführung: Gegenstand und Ziele der Supervision und der kommunikativen Sozialforschung
- Das Gespräch als unausgeschöpfte Ressource in der Berufswelt
- Die instruierende und die selbstreferentielle Beratung
- Die Anfänge der selbstreferentiellen Beratung
- Die Integration von Instruktion und Selbsterfahrung in der Supervision
- Die Erforschung der Steuerungsprogramme als Bedingung der Professionalisierung der Supervision
- Die interpretative Sozialforschung als Alternative zur teilnahmslosen Verhaltensbeobachtung?
- Supervision und Supervisionsforschung als Vorbild, Ort und Gegenstand kommunikativer Sozialforschung
- Die wichtigsten Axiome der kommunikativen Sozialforschung
- Die Vorgeschichte und der Aufbau des Buches


2. Die Herausbildung der Ziele und Modellvorstellungen einer kommunikativen Supervisionsforschung (1976-1981)

2.1 Das Kasseler Supervisionsforschungsprojekt als Beginn der Emanzipation der Supervision von der Therapie
- Die Vorgeschichte einer berufsbegleitenden Forschung
- Das Datenmaterial und seine Ergänzung
- Die Veränderung der Grundannahmen des Projekts: Von der Gruppen- zur Institutionsdynamik
2.2 Die wissenssoziologische Modellierung der Supervision und die Ergebnisse der Institutionsanalyse
- Das Modell der 'Institution'
- Methodologische Konsequenzen und die Ziele der Institutionsanalyse
- Erste Ergebnisse der deskriptiven Analyse der dynamischen Prozesse
- Die quantitative Auswertung des institutionellen Ablaufschemas
2.3 Die Modellierung der Supervision als kommunikativer Kooperationsform
- Die Grenzen der Institutionsanalyse
- Kommunikation als Reziprozitätsherstellung
- Die Grenzen der 'Sozialitätsidealisierungen' und die Vielfalt der Kommunikationsformen
Vier Typen kommunikativer Programme:
- Die kleinräumigen Regeln alltagsweltlicher dyadischer Kommunikation
- Regeln der Kommunikation zwischen mehreren Personen und der Gruppendynamik
- Normalformerwartungen elementarer kommunikativer Kooperationsformen
- Normalformerwartungen institutioneller Kommunikation
- Das Zusammenwirken der vier Ordnungsebenen der Kommunikation
2.4 Methodologische Konsequenzen und neue Zielvorstellung der kommunikativen Sozialforschung
- Das Verstehen der vielen Typen von 'Verstehen'
- Der rekonstruktive Grundzug der kommunikativen Sozialforschung
- Verstehen aus systemischer Sicht
- Selbstreferentialität
- Erhebung affektiver Daten
- Artmodell und Einzelfall: Die Normalformrekonstruktion als Voraussetzung der Normalformanalyse
- Das Forschungssystem und seine Umwelt: Spiegelungsphänomene
- Nutzen und Möglichkeiten der interprofessionellen Zusammenarbeit
- Präzisierung der Untersuchungsziele des Projekts


3. Die Methoden der kommunikativen Sozialforschung: sequentielle Mikroanalyse, Normalformrekonstruktion, Normalformanalyse und Normalformtest

3.1 Die sequentielle Mikroanalyse kleinräumiger Verständigung
- Mikroanalysen und Makroanalysen
- Ein gescheiterter Versuch: die quantitative Analyse von 'Gruppengesprächs- strukturen'
3.2 Die Normalformrekonstruktion: Ein Verfahren zur Erhebung latenter Programme in Institutionen
- Irritationen als Zugang zu den Normalformerwartungen
- Thematisierungen als Zugang zu den Normalformerwartungen
- Psychische Repräsentationen von Normalformerwartungen
- Ergebnisse: Die Normalformerwartungen über den Ablauf in Supervisions- und Balintgruppen
- Weitere Aufgaben der Normalformrekonstruktion
3.3 Die Normalformanalyse: Ziele, Methoden und Anwendungsbeispiele
- Ziele und Analyseschritte
- Das Verstehen von Erzählungen: Ein Beispiel für die Normalformanalyse institutionalisierter Kooperationsformen
- Korrekturen: Beispielhafte Mikroanalysen kleinräumiger Gesprächsregeln
- Die Rekonstruktion von Bedeutungszuschreibungen durch Einsetzübungen, Paraphrasieren, Reduktion der Lesarten sowie deren überprüfungsmöglichkeiten
- Exkurs zum Substitutionsverfahren
- Die Normalformanalyse als Normalformtest und als Eintrittskarte für den interprofessionellen Diskurs
3.4 Die Bedeutung der Normalformabweichungen für die Analyse des Programmwechsels und des unbewußten Gruppenprozesses
- Die Abweichungen als Schaltstelle zwischen verschiedenen Normalformen oder Programmen
- Das Datenmaterial und die methodischen Schritte bei der Analyse von Abweichungen
Ergebnisse der Fallstudie:
- Die Kodierung der Transkription und die Ermittlung der Abweichungen von der Normalform des Ablaufs
- Die Substitution der abweichenden Beiträge
- Vergleich der kommunikationswissenschaftlichen Analyseergebnisse mit der psychoanalytischen Interpretation des 'unbewußten' Gruppenprozesses
3.5 Die Validierung des Modells und die Repräsentation der Normalformerwartungen bei den Beteiligten: Der Normalformtest
- Die Validierung im Rahmen der Normalformanalyse
- Andere Überprüfungsverfahren
- Die Überprüfung des Modells durch die Praktiker
- Triangulationen und Gruppendiskussionsverfahren
3.6 Die Grenzen der Mikroanalyse und des Gruppendiskussionsverfahrens

4. Ergebnisse der Kommunikationsforschung: Normalformerwartungen über Ablauf und Setting von Supervisionen beim Programm 'Fallarbeit'

4.1 Die Normalform der Falleinbringung in Supervisons- und Balintgruppen: Erzählen selbsterlebter professioneller Interaktion
- Das Erzählmodell: Von den 'Sachverhaltsdarstellungsschemata' zur 'kommunikativen Kooperationsform'
Empirische Analysen der Falleinbringung:
- Datenbasis und die Auswertungsschritte
- Die Herauslösung des Erzählschemas in der Vorbereitungsphase
- Die Aushandlung des Erzählers und des Themas
- Die Präsentation der Erzählung in der Falleinbringungsphase
- Die Ratifizierung der Erzählung und die Bearbeitung
4.2 Die Fallbearbeitung als Vervollständigung der Erzählung
- Hypothesen, Daten und Modellvorstellungen
Methodisches Vorgehen:
- Die sequentielle Analyse der Anfangserzählung
- Die Vervollständigung der Anfangserzählung
- Analyse der vervollständigten Erzählung und Schlußfolgerungen
4.3 Setting, Normalformerwartung und Arbeitsbündnis
- Das Setting oder die institutionelle Situationsdefinition: Maximen, Typisierungen, Asymmetrien, Alltagswissen und Ablauferwartungen
- Die Normalformerwartungen an die Standpunkte und Perspektiven der Gruppenmitglieder
- Die gruppendynamische Perspektive auf das Setting
- Die institutionsanalytische Perspektive auf das Setting
4.4 Die Themenentwicklung im historischen Gruppenprozeß
- Kriterien des Erfolgs der Gruppenarbeit
- Die Themen des historischen Gruppenprozesses und ihre Rekonstruktion
- Übersicht über die Daten und die Ergebnisse der Fallstudie
- Das Fallthema als Medium der Selbstbeschreibung der Gruppe: Arbeitszufriedenheit und -erfolg


5. Die Grenzen einer interaktionistischen Kommunikationsforschung und die Perspektiven der Systemtheorie:
Neue Modelle, Methoden und Ergebnisse (1982-1985)

5.1 Mehr Komplexität in Forschung und Praxis: Die systemische Perspektive
- Schlußfolgerungen aus der bisherigen Arbeit für die Supervisionspraxis und
- forschung
- Grundlagen einer allgemeinen Systemtheorie
- Strukturen der Dimensionen sozialer Systeme
- Die Supervision als vierdimensionales System und die Strukturen der dynamischen Dimension
5.2 Eine exemplarische kontrastive Systemanalyse: Setting, Umwelt und Dynamik einer Selbsterfahrungsgruppe
- Die Stellung der Selbsterfahrungsgruppen innerhalb der kommunikativen Modellwelt
- Die Einbettung der Untersuchung und die Voraussetzungen einer systemischen Normalformanalyse und -rekonstruktion
- Die Prinzipien der Normalformrekonstruktion und ihre Modifikationen
- Die Rekonstruktion der Differenzierungsdimension
- Die Rekonstruktion der dynamischen Dimension: Kommunikation, Interaktion, Kooperation
- Die Anwendung des Modells in einer Normalformanalyse
- Ausblick: Die Selbstreflexion des Forschungssystems
5.3 Die typologische Vielfalt von Supervisionen: Probleme der Anwendung der Balintgruppenmethode auf Teamsupervisionen
- Rahmenbedingungen der klassischen Balintgruppenarbeit und der Supervision von Teams
- Führt der 'Königsweg' der Balintgruppenarbeit bei Teams zum Ziel?
- Erste Versuche der Verknüpfung von Fallarbeit und Institutionsanalyse


6. Die Analyse der selbstreferentiellen Dimension des Systems: Selbstregulation und Selbstthematisierung (1985-1988)

6.1 Die Aufgaben des Leiters
- Das Problem der Leitung in selbstreferentiellen Systemen
- Was ist eine Krise?
- Die fünf Aufgabenbereiche des Leiters
- Empirische Analysen von zwei Typen von Leiterinterventionen: Regulation von Abweichungen und Beiträge zur Krisensteuerung
6.2 Das Programm 'Selbstthematisierung'
- Der Stellenwert sozialer Selbstreflexion im Supervisionsprozeß
- Die Normalform des Ablaufs der Selbstthematisierung
- Eine empirische Analyse sozialer Selbstreflexion in zwei Sitzungen der Kontrollsupervision
- Schlußfolgerungen für die Praxis
6.3 Die Inszenierung des Falls
- Die Bedeutung von Spiegelungen und Inszenierungen für die Fallsupervision
- Die Normalform des Ablaufs der Inszenierung des Falls
- Empirische Analyse einer Inszenierung
- Schlußfolgerungen für die Praxis: Die Abweichungen vom Inszenierungsschema als Ausdruck des unbewußten Gruppenprozesses


7. Die Analyse der Differenzierungsdimension: Das System und seine Umwelt

7.1 Die Interferenz der Umwelt und das Deuten latenter Themen
- Der doppelte Themenbegriff bei Freud und seine Probleme
- Elemente eines systemischen Themenbegriffs: Umwelt, individuelle und soziale Referenzräume, latente und manifeste Themen
- Die Manifestierung latenter Themen als Aufgabe gerade therapeutischer Gespräche
- Systemtypen, Themenvielfalt und Deutungsmöglichkeiten: Schlußfolgerungen aus den Annahmen über die kommunikative Welt
- Eine empirische Analyse einer 'irritierenden' Deutung aus einer Supervision
7.2 Die Spiegelung von Umweltstrukturen in der Gruppeninteraktion
- Die zwei Typen von Spiegelung: Die Spiegelung psychischer und sozialer Strukturen
- Eine Analyse des Ablaufs der Inszenierung des Falls in einer Balintgruppe
- Maximen des Leiters für den Umgang mit der Spiegelung
- Analyse der nicht aufgegriffenen Spiegelung sozialer Strukturen in der Balintgruppe
7.3 Die Veränderung der Supervision durch eine neue Klientel und die Ergebnisse der Forschung: Ein Bericht aus der Praxis der Teamberatung (1988-1994)
- Die Supervision in neuer Umwelt und Funktion
- 'Meine Beratung von Teams als Integration von Institutionsanalyse, Selbsterfahrung und Instruktion'
7.4 Der Beitrag der kommunikativen Sozialforschung zur Beratung komplexer Organisationen
- Die Notwendigkeit allgemeiner Beratungsmodelle zur Bestimmung der Leistungen der Supervision
- Die Beratung als informationsverarbeitendes System und der Ablauf kommunikativer Organisationsberatung
- Die Notwendigkeit, die Beratung komplexer Organisationen als Kommunikation zu gestalten
- Die kommunikative Sozialforschung als Vorbild, Ort und Gegenstand der Beratung
- Kommunikative Datenerhebung und -reflexion bei der Institutionsanalyse
- Vom Programmwechsel zum Systemwechsel
- Das Proprium der Supervision und ihre Rolle bei der Organisationsentwicklung


8. Rückblick und Ausblick: Die Wechselwirkungen zwischen Forschung und Praxis
- Von der Institutionsanalyse über den Interaktionismus und die Theorie sozialer Systeme zur Theorie informationsverarbeitender Systeme
- Von der Beratungs- zur Forschungssupervision: Schlußfolgerungen zum Theorie-Praxis - Problem
- Schlußfolgerungen für die Arbeit der Supervisoren und ihre Ausbildung
- Ausblick: Paradoxie und Ambivalenz als Voraussetzung, Chance und Produkt der Kommunikation

9. Anmerkungen

10. Anhang

10.1 Literarische Transkription der 1. Sitzung der Kontrollsupervision ('Balintgruppe Eicke')
10.2 Erläuterung der Transkriptionszeichen
10.3 Mikroanalytische Transkription der 2. Sitzung der Kontrollsupervision ('Balintgruppe Eicke')
10.4 Ausschnitte aus der Transkription einer Selbsterfahrungsgruppe
10.5 Beispiel für die quantitative Auswertung eines Gruppengesprächs mit dem Event-Recorder
10.6 Quantitative Auswertung von fünf Sitzungen der Kontrollsupervision ('Balintgruppe Eicke')


11. Literaturverzeichnis
11.1 Verzeichnis der Preprints und Materialien des Projekts sowie der im Zusammenhang mit dem Projekt entstandenen Diplomarbeiten
11.2 Verzeichnis der häufig verwendeten Literatur

12. Verzeichnis der Tabellen und Schemata

Inhalt

Neben der Psychotherapie ist die wohl interessanteste in diesem Jahrhundert neuentwickelte Beratungs- und Weiterbildungsform die Supervision. Sie untersucht die Psychodynamik der Interaktionsbeziehungen entweder zwischen Professionals und deren Klienten oder in der betrieblichen Hierarchie und deckt das Gegen- und Miteinander von psychischen und institutionellen Strukturen auf, um so Sozialarbeitern, Ärzten, Managern, Verwaltungsangestellten und anderen eine bessere Bewältigung ihres beruflichen Alltags zu ermöglichen.

Sie nutzt dabei die soziale - nicht bloß individuelle! - Selbstreflexion des Supervisionsprozesses, um Informationen über die berufliche Situation ihrer Klienten zu sammeln. Die Schilderung des Berufsalltags wiederum wird verwendet, um die Psycho- und Soziodynamik im Beratungssystem zu verstehen. Möglich sind diese wechselseitigen Erhellungen, weil es Spiegelungsprozesse zwischen sozialen - wie auch zwischen psychischen - Systemen gibt: Strukturen des einen Systems, z.B. des Berufsalltags wiederholen sich, vermittelt über die beteiligten Personen in dem anderen System, z.B. in der Beratung, und fördern oder hemmen das aufgabenbezogene, institutionelle Arbeiten.

Die Analyse dieser offenbar unvermeidlichen Rückkopplungsphänomene, die gänzlich unabhängig von den Intentionen der Individuen ablaufen, weist Beratern und Wissenschaftlern den Weg zu einem neuen Verständnis sozialer Kommunikation: nicht als Verknüpfung psychischer Akte, sondern eben als Phänomen ganz eigener Art, als latente Spiegelung sozialer Strukturen, Dynamiken, Umweltbeziehungen und Identitätskonzepte.

Die Methoden einer in diesem Sinne kommunikativen Sozialforschung schildert das Buch im Zuge der Mikroanalyse von mehrjährigen Supervisionsprozessen. Diese hat nicht nur soziale Kommunikation zum Gegenstand sondern sie gestaltet auch den gesamten Forschungsprozeß von der Festlegung des Forschungssettings über die Datenerhebung und -auswertung bis hin zur Rückkopplung der Ergebnisse in die alltägliche Praxis als Gespräch.

Zugleich werden die Entwicklung von der Fall- über die Teamsupervision hin zu komplexen Formen der Organisationsentwicklung in den letzten 15 Jahren nachgezeichnet und die Konsequenzen für ein zeitgemäßes Supervisionskonzept gezogen.

Wies die Supervision anfangs der kommunikativen Sozialforschung den Weg, so kann nun zunehmend auch die Anamnese und Diagnose von ratsuchenden Institutionen sowie die Interventionsplanung als ein Prozeß kollektiver Informationsverarbeitung gestaltet werden, der den Prinzipien kommunikativer Sozialforschung folgt. Die Forschung gewinnt Beratungsqualität und die Beratung nimmt über weite Strecken Forschungsqualität an.

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